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WU Tax Law Technology Conference 2024

February 6, 2024

Die Tax Law Technology Conference an der Wirtschaftsuniversität Wien ist fester Bestandteil in meinem Jahreskalender und verbindet mehrere Zwecke: neben der Teilnahme an der Konferenz selber auch ein privater Städtetrip und die Gelegenheit zum Wiedersehen mit einer größeren Gruppe an Wegbegleitern und Wegbegleiterinnen - nicht umsonst heißt die zugehörige WhatsApp-Gruppe "Klassentreffen Wien".

Vorab gefällt das Format der Konferenz sehr: jeweils etwa zwei bis drei Kurzvorträge je Thema und anschließende Diskussion in einem Panel von vier bis sechs Personen mit ähnlicher Vertiefung, aber ausreichend unterschiedlicher Sichtweise, bevor dann das Publikum einbezogen wird. Dabei gibt es einen guten Mix aus Fachvorträgen und Case Studies, die die Probleme der jeweiligen Themen illustrieren und greifbar machen.

Auch das Thema traf genau mein Interesse: das Thema AI in Tax ist überall präsent, wird aber häufig in Verbindung mit der Anpreisung einer "Solution" präsentiert. Mir war wichtig, einen akademischen Blick verbunden mit praktischen Anwendungsfällen zu bekommen, um zu verstehen, was denn das Problem ist, bevor es an die Lösung durch XYZ-GPT powered by ABC Software Advisory Solutions geht. Ein abschließendes Verständnis von Künstlicher Intelligenz wird wohl niemanden, erst recht keinem Steuerberater, möglich sein. Eine möglichst weitgehende Beschäftigung mit den Grundlagen, Vorteilen und auch potentiellen Gefahren von KI über eine Salespräsentation hinaus sollte aber Anspruch jedes steuerlichen Beraters sein.

Ich selber ging mit dem Wissensstand eines durchschnittlichen Anwenders von Chat-GPT in die Konferenz, so hatte ich z.B. die Auswahl eines Hotels in zentraler Lage mit fußläufiger Erreichbarkeit einer möglichst großen Anzahl an ebenfalls auszuwählenden Sehenswürdigkeiten in Wien für das Wochenende vor der Konferenz an Chat-GPT gegeben (und mit lokalem Wissen einer Freundin abgeglichen) und auch einen Zeitplan für die Besichtigung der Sehenswürdigkeiten mit Schätzungen von Wegstrecken und Aufenthaltszeiten aufstellen lassen. Für die auf der Konferenz besprochenen Themen war ich aber ein eher leeres Gefäß, das gefüllt werden wollte.

Eingangsbereich der Bibliothek der WU

Im Folgenden eine Kurzzusammenfassung der einzelnen Panels mit meinen Key Take Aways:

  • Session 1: Introduction of Artificial Intelligence from a Technology Perspective
"An AI follows its intuition and "gut feeling", but cannot logically justify its statements."

Inhalt: Wie funktioniert eine AI eigentlich und wie trifft eine KI eine Aussage im Rahmen einer Wahrscheinlichkeit als "Nähe" von verschiedenen Datenpunkten, mit anderen Worten: was passiert eigentlich im Hintergrund? Technisch, mathematisch, stochastisch - und absolut notwendig für das Verständnis der Anwendungsfälle.

Key Take Away: Eine KI verbindet Informationen anhand einer mathematischen "Nähe", dies ist aber nicht die einzig mögliche Verbindung. Daher ist die Genauigkeit (und damit Nützlichkeit) einer KI subektiv von den Erwartungen des Nutzers.

  • Session 2: Perspectives of Taxpayers: Present Use Cases
"From using the AI model to validate human actions to using humans to validate the AI model."

Inhalt: Wie wird KI schon heute tatsächlich von Steuerpflichtigen genutzt, um den Fokus in der steuerlichen Arbeit auf die Korrektur von potentiell fehlerhaften steuerlichen Buchungen zu legen, anstelle eine Vollkontrolle durchführen zu müssen? Und wie wird mit False Positive und False Negatives umgegangen?

Key Take Away: Es gibt schon konkrete Anwendungsfälle für KI im Steuerbereich, die eine echte Erleichterung der Arbeitsbelastung darstellen, während die Qualität erhöht werden kann. In diesen Fällen ist aber eine menschliche Endkontrolle notwendig, da die KI "nur" eine Wahrscheinlichkeit für korrekte oder inkorrekte Buchungen

  • Session 3: Perspectives of Taxpayers: Insights into the Future
"The current use of AI in tax lies in summarizing information, recommending actions, generating content and simplifying tasks."

Inhalt: Beispiele generativer KI, sowohl im Bereich steuerlicher Wissenssammlung und -vermittlung, sondern auch in unterstützenden Prozessen wie bei der Erstellung von PowerPoint-Präsentationen aus anderen Dokumenten (etwa Fachaufsätzen).

Key Take Away: Generative KI kann mehr als gedacht und vor allem auch in breiteren Anwendungsbereichen als gedacht. Ich habe mir Zugriff auf Microsoft Copilot besorgt und werde versuchen, damit auch die eher kurzen Prozessketten als Selbstständiger sowohl für administrative Dinge als auch bei der Erbringung von Leistungen für Mandanten neu aufzustellen.

  • Session 4: Perspectives of Tax Administration: Present Use Cases
"All AI models are wrong - but are they good enough?"

Inhalt: Beispiele aus der Finanzverwaltung, in denen KI bereits genutzt wird, etwa um als risikobehafteter angesehene Steuerfälle zu identifizieren, um diese einer genaueren (menschlichen) Prüfung zu unterziehen. Interessant insbesondere, dass hier nicht mit einem Model, sondern mit bis zu 70 verschiedenen Modellen gearbeitet wird, die verschiedene Risikoeinschätzungen vornehmen, u.a. auf Basis von bestimmten Transaktionen, dem Lebenszyklusabschnitt eines Unternehmens oder auch Geschäftsverbindungen mit anderen Unternehmen.

Key Take Away: Risikobeurteilungen und Einschätzungen bestimmter steuerlicher Sachverhalte sollten nicht nur in der Finanzverwaltung, sondern auch bei Unternehmen direkt sinnvoll eingesetzt werden können, etwa um eventuelle Fehlbuchungen bereits vor einer Betriebsprüfung oder im laufenden Betrieb vor einer nachträglichen Korrektur identifizieren zu können. Während in der Vergangenheit mit vordefinierten Prüfungen gearbeitet wurde, könnten diese Prüfungen als Lernmodell für eine KI eingesetzt werden.

  • Session 5: Perspective of Tax Administrations: Insights into the Future
"AI is a tool and it depends on how I use it"

Inhalt: Mögliche negative Konsequenzen einer unüberwachten KI als zentrales Risikomanagement, die (am Beispiel der niederländischen Kindergeldaffaire) fehlerhafte (und diskriminierende) Risikofaktoren für Betrug angeben könnte.

Key Take Away: Ein "guter Mensch" ist also Faktor bei der Beurteilung der Ergebnisse einer KI notwendig, um Fehlinterpretationen und ungewollte Auswirkungen durch rein automatische Bearbeitung zu vermeiden. Aussagen einer KI sollten daher immer nur als Basis für eine Entscheidung, nicht aber als feststehende Entscheidung selber genommen werden. Um die Entscheidung auf Basis der Vorschläge der KI treffen zu können, ist daher auch kritisches Hinterfragen der Ergebnisse und deren Zustandekommen notwendig.

  • Session 6: Tax Law Implications of the Use of Artificial Intelligence
"How do we make sure that no superpower gains control over individuals as AI is "acting in the background"?"

Inhalt: Was sind die moralischen und rechtlichen Grenzen von KI und wie kann ein Rechtssystem gestaltet werden, damit es mit KI Schritt hält. Eine Grenze ist die notwendige Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen einer KI, sodass nicht eine Black Box Einfluss auf Steuerfälle nimmt, ohne dass der betroffene Steuerpflichtige hiergegen vorgehen kann. Wenn eine KI eine Arbeit unterstützen soll, muss nachvollziehbar bleiben, welche Faktoren bei der Beurteilung eine Rolle gespielt haben. Allerdings gibt es noch nicht wirklich Anwendungsfälle hierfür im Steuerrecht, sodass derzeit viel mit Analogien aus anderen Rechtsbereichen gearbeitet wird.

Key Take Away: "Computer says no" (siehe Link) ist keine Position, die langfristig Akzeptanz der Steuerpflichtigen gegenüber KI entwickeln wird. Vielleicht muss man die Anteile verschiedener Faktoren an der Gesamtwahrscheinlichkeit, die zu einer Antwort geführt hat, in einer Art transparent machen? So oder so scheint die Entwicklung und das Training einer KI für einen bestimmten Anwendungsbereich nur ein Teil der Arbeit zu sein, ob für Steuerbehörden oder Unternehmen, um sich nicht den Gefahren einer reinen maschinenbasierten Entscheidung auszusetzen.

Auch wenn die Kapazitäten eines Solo-Selbstständigen erstmal begrenzt sind, werde ich zukünftig mehr Zeit im Bereich KI verbringen, um auch aus einer kleinen Praxis heraus entsprechende Beratung anbieten zu können. Bei Interesse an einem Austausch oder konkreten Projekten sprechen Sie mich gerne an.