Ich darf wieder die Schul... Universitätsbank drücken.
Knapp 15 Jahre nach dem Abschluss meines Studiums als Diplom-Kaufmann, 12 Jahre nach meinem Steuerberaterexamen und nach zwischenzeitlich weiteren acht Jahren Vortragstätigkeit an der Hochschule Rhein-Main freue ich mich, wieder an einer Universität zu sein und mich auch nach meinem 40. Geburtstag wieder akademisch weiterzubilden.
Daher habe ich mich Anfang Oktober auf den Weg nach Wien an die Wirtschaftsuni gemacht und am Seminar "Microsoft Copilot meets Tax Compliance" teilgenommen. Das Seminar ist Teil des sechsteiligen Vienna Certificate in Tax Law Technology und war für mich der Auftakt zur Seminarreihe.
Das zentrale Thema des Seminars war die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Steuerberatung, sowohl für Berater als auch Mitarbeiter interner Steuerabteilungen. In verschiedenen Fachvorträgen von Vertretern von Microsoft, EY und KPMG wurden insbesondere Möglichkeiten (und auch Grenzen) von KI am Beispiel des Copilot von Microsoft vorgestellt und durchaus kritisch diskutiert. Im Unterschied zu anderen Seminaren, die sehr aus einer praktischen Perspektive gehalten werden, erhält die Akademie ausreichend Platz und Stimme - mit ein Grund, warum ich mich für diese Seminarreihe entschieden habe.
Ich nehme insbesondere die folgenden Punkte mit:
Die Möglichkeiten von KI sind tatsächlich beeindruckend, aber dennoch ist KI nicht für jeden Einsatzzweck auch geeignet. Ich kann einen Nagel auch mit meinem Smartphone in die Wand schlagen, ob dies allerdings sinnvoll ist oder ob ich nicht doch auf den altbewährten Hammer zurückgreifen sollte, ist aber fraglich. So sehe ich auch den Einsatz von KI im Steuerbereich: anstatt mit der Frage zu beginnen, wie KI einen Prozess unterstützen kann, sollte zuerst die Frage, ob der Einsatz von KI auch sinnvoll, geeignet und wertschöpfend sein wird, positiv beantwortet werden. Der Einsatz von KI ist weder Selbstzweck ("Schaut her! Wir haben bereits einen Prozess mit KI unterstützt!") noch Universallösung ("If you are a hammer, everything looks like a nail").
Künstliche Intelligenz wird immer künstlich bleiben. Sie ist Menschen (zumindest mir) in der Verarbeitung großer Datenmengen überlegen und nähert sich menschlichen Arbeitsergebnissen auch in kreativen Prozessen immer weiter an. Dennoch sind Träume von vollständig automatisierten Prozessen ohne notwendige menschliche Eingriffe auch auf Dauer hin jenseits von rein operativen Prozessen für mich weiter Träume. Die Qualität kreativer Arbeitsergebnisse von KI bedürfen allerdings zwingend einem Review durch Personen mit Fachwissen und sind nicht bereits als abschließende Ergebnisse zu sehen. Ich sehe KI hier als Associate, der ein Thema erstmals neu aufbereitet und für mich Wege in die Bibliothek übernimmt sowie eine gute Ausgangsbasis für ein Arbeitsergebnis erstellt, auf das ich zeitsparend aufsetzen kann. Diese Zeitersparnis wird dazu führen, dass Arbeit mit KI bedeutend effizienter durchgeführt werden kann als ohne KI - ersetzt werden kann die menschliche Expertise und vor allem Erfahrung allerdings nicht.
Künstliche Intelligenz erlaubt es auch Personen ohne tiefgreifende IT-Expertise, etwa auch Steuerberatern, Technologie in größerem Umfang zu nutzen als bisher und den Abstand zu IT-Experten zu verkleinern - ersetzen ist auch hier nicht möglich. Daraus folgt für mich, dass gewisse Beratungsansätze im Bereich Tax Technology nicht mehr nur den großen Beratungen vorbehalten sind, sondern auch von interessierten Einzelberatern angeboten werden können. Einzelnen Beratern werden zwar nicht die Ressourcen für große IT-Produkte haben, aber Beratung beim Einsatz von KI, No-Code/Low-Code Plattformen wie etwa Power Automate mit Stärken gerade in der "Excel-Steuerwelt" oder ähnlichen Themen, die auf vorhandene IT-Struktur aufsetzen, wird bei entsprechender Ausbildung und Interesse der Einzelberater gut möglich sein.
Als kleinen Proof-of-Concept habe ich während des Seminars einen Chatbot für den Bereich Kapitalertragsteuer entwickelt, der internen Mitarbeitern steuerliche Fragen beantwortet, ohne die Steuerabteilung einzubinden. Um die Qualität der Aussagen zu erhöhen, werden hierfür nur geprüfte Informationen, etwa interne Fachkonzepte, BMF-Schreiben, etc. und nicht das nicht geprüfte "Wissen" (oder manchmal auch Unwissen) des Internet, verwendet. Ich werde den Chatbot in den nächsten Wochen immer weiterentwickeln und vor allem trainieren - für eine Demonstration stehe ich immer gerne zur Verfügung.
Die Antworten einer KI sind immer nur so gut wie die ihr gestellten Fragen. Auch wenn sich das zunächst nach einer Umkehrung der Schuld für schlechte Antworten anhört, bedeutet das für mich als Nutzer von KI, dass ich das Handwerk der Formulierung von Anfragen an die KI ("Prompting") erlernen muss. Dankenswerterweise haben alle Vortragenden hierzu Informationen, Best Practices und Beispiele zur Verfügung gestellt. Hierbei sei auf die Microsoft Copilot Prompt Library von Microsoft verwiesen, aber auch auf die Bestandteile guten Promptings: Person, Ziel, Zielgruppe, Stil, Kontext und Beispiele. Hiermit konnte auch ich bereits während des Seminars die Qualität der Antworten der KI signifikant verbessern.
Schon im nächsten Monat geht es weiter mit dem nächsten Seminar zur Entwicklung von Anwendungsfällen für KI im Steuerbereich. Auch hierauf bin ich sehr gespannt, freue mich auf die Reise nach Wien und den Austausch mit Akademikern und Praktikern (manchmal beides in einer Person).
Für Rückfragen oder auch Gespräche, wie KI auch in Ihrem Unternehmen mit niedriger Eingangsschwelle genutzt werden kann, stehe ich immer gerne zur Verfügung.