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Rechtsprechungsreport Abgeltungsteuer 2023 veröffentlicht

May 15, 2024

Wie im Vorjahr durfte ich für die Zeitschrift Recht der Finanzinstrumente den Rechtsprechungsreport zur Abgeltungsteuer erstellen. Auch diesmal bin ich fast an der Zeichenvorgabe gescheitert und musste ein Urteil ganz aus dem Aufsatz herausnehmen, veröffentliche diese Besprechung aber hier.

Im Folgenden möchte ich eine kurze Zusammenfassung des Aufsatzes geben, den ich in Zusammenarbeit mit dem Verlag auch zum Download im Volltext anbieten kann - siehe Downloadbutton am Ende der Zusammenfassung.

Im Einzelnen werden folgende Urteile besprochen:

  • In der Entscheidung VIII R 21/19 urteilte der BFH, dass vor der gesetzlichen Anpassung im Jahr 2014 die Besteuerung von inländischen Dividenden durch die Besteuerung der Veräußerung des Dividendenanspruchs unabhängig von einer tatsächlichen Besteuerung verdrängt wird. Gleichzeitig hat er seine Rechtsprechungslinie fortgeführt, nach der die Inanspruchnahme von gesetzlich vorgesehenen Handlungsmöglichkeiten keine missbräuchliche Steuergestaltung darstellt.
  • Mit seinen beiden Urteilen vom 30.11.2022schafft der BFH Rechtssicherheit für die Gestaltung des Bondstripping im Privatvermögen, die sowohl als nicht missbräuchlich eingeschätzt wurde und beider BFH auch der Gewinnermittlung der Steuerpflichtigen ohne Aufteilung der Anschaffungskosten zustimmt. Die Gestaltung wurde mittlerweile durch Gesetzesänderungen für die aktuelle Rechtslage ausgeschlossen.
  • Der BFH bestätigt mit seinem Urteil VIII R 20/23die Verfassungsmäßigkeit der steuerlichen Übergangsregelungen von unechten Finanzinnovation und unterwirft diese auch bei Anschaffung vor dem 1.1.2009 der Abgeltungsteuer. Der Wortlaut der Übergangsvorschrift und insbesondere der Rückausnahme des § 52 Abs. 28 S. 16 Teilsatz 3 EStG ist nach Auffassung des BFH insoweit eindeutig und stellt eine unechte Rückwirkung dar, die den Steuerpflichtigen nicht in seinen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz und dem Gleichbehandlungsgrundsatz verletze.
  • Im Urteil VIII R 8/21 entschied der BFH, dass die Rückzahlung von bereits erhaltenen Erstattungszinsen nicht vollumfänglich als (steuerlich verrechenbare) negative Einnahme zählt, sondern nur insoweit die Rückzahlung sich zeitlich und betragsmäßig mit den ursprünglich festgesetzten Erstattungszinsen überschneidet. Andernfalls handelt es sich um die erstmalige Leistung von Nachzahlungszinsen, die steuerlich unbeachtlich sind.
  • Im Urteil VIII R 1/19 stellte der BFH klar, dass im Rahmen der Gewinnermittlung von Forderungen mit mehreren Auszahlungszeitpunkten die Anschaffungskosten der Gesamtforderung auf nach den eweiligen Nominalbeträgen der einzelnen Auszahlungen aufzuteilen sind.

Laden Sie per Klick auf das Cover den Aufsatz direkt herunter. Weitere Aufsätze und Veröffentlichungen finden Sie über die Seite "Veröffentlichungen".

Ich hatte zusätzlich noch eine Urteilsbesprechung zur Steuerbarkeit von Gewinnen aus der Veräußerung von Kryptowährungen (IX R 3/22) geschrieben, die aus Platzgründen entfallen musste. Gerne möchte ich diese an dieser Stelle zur Verfügung stellen.

1.    Hintergrund

In seinem Urteil IX R 3/22[1] hatte der BFH über die Steuerbarkeit von Gewinnen aus der Veräußerung von verschiedenen Kryptowährungen zu entscheiden. Im Privatvermögen erzielte Veräußerungsgewinne aus sogenannten „anderen Wirtschaftsgütern“ sind steuerpflichtig als sonstiger Ertrag, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr vergangen ist („privates Veräußerungsgeschäft“ i.S.d. §22 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG).

Da es sich bei Kryptowährungen um eine recht neue Anlagekategorie handelt, gab es bisher noch keine höchstrichterliche Entscheidung über die Steuerbarkeit der Veräußerung von Kryptowährungen. Zwar gab es bereits vor dem BFH-Urteil eine Vielzahl an – teils ergebnisgleichen, teils ergebnisabweichenden– Finanzgerichtsurteilen sowie ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums über die Verwaltungsauffassung.[2] Mangels einer expliziten und unmissverständlichen gesetzlichen Regelung bestand aber Regelungsbedarf, umso mehr, als dass Anlagen mit Kryptowährungen nicht zuletzt aufgrund der teils hohen Wertzuwächse Verbreitung von „technisch affinen Vorreitern“ hin zu „normalen Anlegern“ fanden.[3]

Daher hatte der BFH zum ersten Mal zu entscheiden, ob Kryptowährungen als „andere Wirtschaftsgüter“ im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts zu erfassen und zu besteuern seien.

2.    Sachverhalt

Der Kläger erwarb in den Jahren 2014 bis 2016 jeweils Bitcoin im Wert von 22.585 Euro, die er im Jahr 2017 zuerst in Ether unter Erzielung eines Gewinns in Höhe von 2.419 Euro, dann weiter in Monero unter Erzielung eines Gewinns von 1.014.481 Euro und abschließend wieder teilweise im Umfang von korrespondierenden Anschaffungskosten von 607.115 Euro zurück in Bitcoin tauschte. Die Bitcoins veräußerte er anschließend auf zwei verschiedenen Börsen und erzielte hieraus Erträge in Höhe von 150.652 Euro bzw. 2.880.822 Euro.

Daraus ergab sich ein Gesamtgewinn in Höhe von 3.441.261 Euro, die der Kläger zunächst in seiner Steuererklärung als Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften angab. Das Finanzamt veranlagte den Klägererklärungsgemäß unter Vorbehalt der Nachprüfung. Gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung legte der Kläger Einspruch ein und begründete dies im Wesentlichen mit einem angeblich bestehenden strukturellen Vollzugsdefizit beider Besteuerung von Gewinnen aus Kryptowährungen, da die Transaktionen nur mit einem hohen Maß an Knowhow und Glück nachvollziehbar seien. Der Einspruch wurde vom Finanzamt abgelehnt.

Die hiergegen erhobene Klage beim Finanzgericht hatte allerdings im Grundsatz ebenfalls keinen Erfolg und nahm nur den Gewinn aus dem ersten Umtausch von Bitcoin zu Ether in Höhe von knapp 2.000 Euro von der Besteuerung aus, da nicht mehr feststellbar war, ob dieser Umtausch innerhalb der Jahresfrist und somit als steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft erfolgte oder nicht.[4]

3.    Entscheidung

Der BFH bestätigte das Urteil des Finanzgerichts und wies die Revision als unbegründet zurück. Insbesondere bestätigte er die Auffassung des Finanzgerichts, dass Kryptowährungen zu den „anderen Wirtschaftsgütern“ i.S.d.§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG gehören und somit Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts sein könnten. Er verwarf damit die Ansicht des Klägers, nach der Kryptowährungen nichts anderes als eine Kette aus digitalen Signaturen, die in der "Blockchain" dokumentiert würden, seien. Daher sei die vom Finanzgericht zur Prüfung der Eigenschaft als anderes Wirtschaftsgutherangezogene Rechtsprechung aus anderen Bereichen im vorliegenden Fall nicht geeignet. Hierzu waren in der Vergangenheit auch bereits unterschiedliche Aussagen von Finanzgerichten ergangen, sodass diesbezüglich eine Rechtsunsicherheit bestand.[5] Der BFH führte hierzu aus, dass Kryptowährung wirtschaftlich betrachtet als Zahlungsmittel und somit als Wirtschaftsgut anzusehen seien.[6]

Darüber hinaus wandte der Kläger ein, dass eine Zurechnung der Kryptowährungen zu ihm weder nach § 39 Abs. 1 noch Abs. 2 AO möglich sei. Diese Argumentation verwirft der BFH mit dem Verweis auf die faktische Verfügungsmacht an dem Wirtschaftsgut des Inhabers des privaten Schlüssels.[7] Die Kryptowährungen seien daher dem Kläger als zivilrechtlichem Eigentümer i.S.d. § 39 Abs. 1 AO zuzurechnen. Auch vertrat der Kläger die Ansicht, dass der Tausch zwischen verschiedenen Kryptowährungen keinen gewinnrealisierenden Veräußerungstatbestand darstelle. Wenn überhaupt sei daher nur die Veräußerung der Bitcoins gegen Euro steuerlich relevant. Auch dies verwirft der BFH erneut mit dem Verweis auf die Übertragung des privaten Schlüssels, der im Bereich des Tauschs zu einem gegenseitigen Übergang der faktischen Berechtigung an den jeweiligen Kryptowährungen führe.

Schließlich trug der Kläger vor, dass im Bereich der Besteuerung von Gewinnen aus Kryptowährungen ein strukturelles Vollzugsdefizit vorliege. Dies sei bekannt und teilweise gerichtlich angedeutet.[8] Daher sei die gesetzliche Besteuerungsgrundlage – in diesem Fall § 23 Abs. 1 S.1 Nr. 2 EStG – verfassungswidrig. Der BFH verneinte diese Auffassung, da es bereits an widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten gesetzlichen Regelungen fehle und da die dem Gesetzgeber zustehende Reaktionszeit bei der Prüfung und Einführung zusätzlicher Kontrollmaßnahmen noch nicht überschritten sei. Nicht bereits jeder feststellbare Vollzugsmangel führe daher zu einem Vollzugsdefizit.

Im Ergebnis war die Revision des Klägers durch den BFH daher zu verwerfen.

4.    Praxisfolgen

Mit dem Urteil des BFH ist ein erster Meilenstein bei der Betrachtung der Besteuerung von Kryptowährungen gemacht. Abschließende Rechtssicherheit, wie dies teilweise von Richtern des entscheidenden IX. Senats aufgrund der einhelligen Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung gesehen wird,[9] liegt aber wohl (noch) nicht vor. Insbesondere Steuerpflichtige könnten aufgrund der Vielzahl an möglichen Ausgestaltungen und technischen Umsetzungen digitaler Anlagegegenstände abweichende Meinungen vertreten.[10]Auch eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf etwa Non-Fungible Tokens (NFT)erscheint durchaus möglich, aber noch nicht gesetzt.[11] Ebenfalls wird an der Besteuerung eines Umtauschs von einer Kryptowährung in eine andere mangels Leistungssteigerung teilweise Kritik geäußert und könnte nochmals Gegenstand einer richterlichen Beurteilung werden.[12] Die Kritik überzeugt aber vor dem Hintergrund der klaren gesetzlichen analogen Anwendung der Regelungen über ein Veräußerungsgeschäft auch für den Tausch nicht (§ 6 Abs. 6 S. 1 EStG).

Aufgrund der Volatilität von Kryptowährungen sollte durch das Urteil aber auch klargestellt sein, dass Verluste aus Transaktionen mit Kryptowährungen innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust führen. Ein solcher Verlust ist aber nur eingeschränkt mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften und insbesondere nicht mit Kapitalerträgen verrechenbar.[13]

Da Veräußerungsgeschäfte über direkt gehaltene Kryptowährungen in die Sphäre der privaten Veräußerungsgewinne einbezogen werden, wird hierauf kein Kapitalertragsteuerabzug erhoben. Dies gilt allerdings nicht für alle Produkte, deren Wertentwicklungen von Kryptowährungen zu Grunde liegen, etwa Zertifikate auf Kryptowährungen oder diskutierte Bitcoin-ETF. Mit geplanten Verfahren wie DAC8[14] innerhalb der Europäischen Union oder CARF (Crypto-Asset Reporting Framework)[15]der OECD sollen Transaktionen mit Kryptowährungen zukünftig (ab dem Jahr 2027)auch von Handelsplattformen verpflichtend an die nationalen Steuerbehördengemeldet werden, sodass solche Gewinne nicht mehr verborgen werden können. Auch wenn der BFH sich bereits deutlich gegen ein angebliches Vollzugsdefizitgewendet hat, sollten spätestens mit diesen Meldeverfahren die letzten Zweifel hieran ausgeräumt sein.[16]

[1]Vgl. BFH, 14.2.2023 – IX R 3/22, BStBl. II 2923, 571; RdZ-Rechtsprechungsreport Bünning, RdZ 2023, 136; Brinkmann, BB 2023, 1138.

[2] Vgl. BMF, 10.05.2022, GZ IV C 1 - S2256/19/10003 :001, BStBl. I 2022, 668.

[3]Vgl. Büttel, jurisPR-ITR 10/2023 Anm. 2.

[4]Vgl. FG Köln, 25.11.2021 – 14K 1178/20, RdF-Entscheidungsreport Link, 2022, 154; Schober, BB2022, 1049.

[5]Vgl. die Eigenschaft als Wirtschaftsgut bejahend FG Brandenburg, 20.6.2019 – 13V 13100/19, BB 2020, 176; FG Stuttgart, 11.6.2021 – 5 K 1996/19, EFG 2022, 163;mit Zweifeln hingegen FG Nürnberg, 8.4.2020 – 3 V 1239/19, EFG 2020, 1074.

[6]Kritisch hierzu vgl. Kanzler, FR 2023, 323.

[7]Teilweise kritisch hierzu vgl. Figatowski, jurisPR-SteuerR 18/2023 Anm.1.

[8]Vgl. FG Baden-Württemberg,2.3.2018 – 5 K 2508/17, EFG 2018, 1167.

[9]Vgl. Trossen, jM 2023, 203.

[10]Vgl. Knittel, ErbStB 2023, 99.

[11]Zustimmend aber auch Bünning, a.a.O.

[12]Vgl. Büttel, a.a.O.

[13]§ 23 Abs. 3 S. 7 EStG, vgl. Jachmann-Michel, BB 2023, 2903; Urbach,BeSt 2023, 20.

[14]Rat der Europäischen Union, 18.9.2023, RICHTLINIE DES RATES zur Änderung derRichtlinie des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereichder Besteuerung, 10215/23.

[15] OECD, 10.10.2022, Crypto-AssetReporting Framework and Amendments to the Common Reporting Standard, abrufbarvia https://www.oecd.org/tax/exchange-of-tax-information/crypto-asset-reporting-framework-and-amendments-to-the-common-reporting-standard.pdf.

[16]Vgl. Jachmann-Michel, BB 2023, 2903.

Bildquelle: Foto von Glenn Carstens-Peters auf Unsplash